ISLAM - DAS PROPHETENTUM lV

g) Ein verwandelter Mensch mit Vierzig - warum?
Vierzig Jahre lang lebte Muhammad als Araber unter Arabern. In all dieser Zeit war er weder als Staatsmann noch als Prediger oder Redner hervorgetreten. Nie hatte man Perlen der Weisheit aus seinem Munde vernommen, wie er sie später anfing zu verstreuen. Man sah ihn niemals in Gespräche über die Grundsätze von Metaphysik, Ethik, Recht, Politik, Wirtschaft und Soziologie vertieft. Es konnte nicht die Rede davon sein, daß er ein großer Feldherr gewesen wäre - ja er war nicht einmal ein gewöhnlicher Soldat. Er harte sich nie über Gott, die Engel, die offenbarten Bücher, die früheren Propheten, das Leben nach dem Tod oder Himmel und Hölle geäußert. Zweifelsohne besaß er einen ausgezeichneten Charakter, gewinnende Manieren und große Herzensbildung, doch war nichts so besonders Auffallendes oder völlig Außergewöhnliches an ihm, das die Menschen dazu hätte bringen können, sich für die Zukunft etwas Großes und Umwälzendes von ihm zu erwarten. Bei seinen Freunden war er als ein ehrbarer, besonnener, freundlicher und friedfertiger Mensch von lauterem Wesen bekannt. Doch als er mit seiner neuen Botschaft aus der Berghöhle heraustrat, war er völlig verwandelt.

Als er damit begann, seine Botschaft zu verkünden, hielt zunächst ganz Arabien vor Ehrfurcht und Staunen den Atem an und war bezaubert von seiner wunderbaren Beredsamkeit und Ausdruckskraft. Seine Sprache war so eindrucksvoll und fesselnd, daß seine schlimmsten Feinde Angst hatten, ihm zuzuhören, weil sie fürchteten, daß die neue Botschaft so tief in die Schlupfwinkel ihrer Herzen und in den innersten Kern ihres Wesens eindringen könnte, daß ihnen dadurch der Boden unter den Füßen weggezogen würde und sie sich gezwungen sehen könnten, ihrer alten Religion und Kultur Lebewohl zu sagen. Seine Redegewalt war so unvergleichlich, daß die ganze Schar der fähigsten arabischen Dichter, Prediger und Redner sich vergeblich bemühte, etwas ihrer sprachlichen Schönheit und ihrer brillanten Ausdruckskraft Gleichwertiges hervorzubringen, nachdem er an seine Widersacher die Herausforderung hatte ergehen lassen, alle ihre Talente zusammenzulegen und so auch -.nur eine einzige Zeile hervorzubringen, die den von ihm vorgetragenen Versen entspreche.

h) Seine allumfassende Botschaft
Gleichzeitig trat er auch als unvergleichlicher Philosoph und Reformator, als anerkannter Neubegründer einer glanzvoll, großen Kultur und Zivilisation, als hervorragender Politiker, fähiger Führer und Richter von höchster Eminenz und als unerreichter Feldherr Vor sein Volk hin. Dieser ungebildete Beduine, dieser einfache Sohn der Wüste sprach mit solcher Weisheit und Klugheit. wie sie niemand vor ihm an den Tag gelegt hatte und niemand nach ihm vorweisen konnte Er erläuterte die schwierigsten metaphysischen und theologischen Probleme. Er hielt Vorträge über die Gründe für den Niedergang und Verfall von Nationen und Weltreichen, wobei er seine Thesen durch geschichtliche Tatsachen aus der Vergangenheit untermauerte. Er unterzog die Leistungen vorausgegangener Reformer der Musterung. Er äußerte seine Ansichten über die verschiedenen Religionen der Welt. Und er fällte Urteile über die Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten sich befehdende Stämme. Er lehrte die Gebote der Ethik und die Prinzipien der Zivilisation. Er erstellte so hervorragende Gesetze für Gesellschaftsbildung, Wirtschaftsorganisation, Menschenführung und internationale Beziehungen, daß auch ganz große Denker und Gelehrte ihre volle Weisheit erst nach lebenslanger Forschung und allumfassender Erfahrung mit Menschen und Dingen begreifen können. Es ist tatsächlich so, daß sich mit der menschlichen Weiterentwicklung auf dem Gebiet des theoretischen Wissens und der praktischen Erfahrung die Vollkommenheit dieser Lehren und Gebote erst allmählich mehr und mehr entfaltet.

Dieser ruhige und friedliebende Kaufmann, der niemals zuvor ein Schwert in der Rand gehabt hatte und keinerlei militärische Ausbildung besaß, der lediglich einmal an einer Schlacht teilgenommen hatte, und auch das nur als Beobachter, wurde plötzlich zu einem so tapferen Soldaten, daß er nicht ein einziges Mal, selbst in der heftigsten Schlacht nicht, den Rückzug antrat. Er wurde ein so großer Feldherr, daß er ganz Arabien in neun Jähren eroberte, und zwar zu einer Zeit, als die Waffen noch primitiv und die Verkehrsmittel und Nachrichtenverhindungen völlig unzureichend waren. Sein militärischer Scharfsinn und seine Tüchtigkeit erreichten einen so hohen Grad an Vollkommenheit und die militärische Begeisterung und Ausbildung, die er einer bunt zusammengewürfelten Schar von Arabern (ohne irgendwelche Ausrüstung, die diesen Namen verdient hätte) vermittelte, wirkten solche Wunder, daß seine Anhänger innerhalb weniger Jahre die beiden bedeutendsten militärischen Großmächte jener Zeit überwältigten und selbst zu Herren des größten Teils der damals bekannten Welt wurden.

Dieser zurückhaltende und sanfte Mann, der sich ganze vierzig Jahre lang durch keinerlei politische Anteilnahme oder Tätigkeit hervorgetan hatte, erschien plötzlich auf der Weltbühne als so hervorragender politischer Reformer und Staatsmann, daß er ohne die Hilfe von Funk, Fernsehen und Presse die weitverstreuten Einwohner einer Wüste von zwölfhunderttausend Quadrat-meilen - das sind über drei Millionen Quadratkilometer - unter sich vereinte. Ein Volk, das kriegerisch, unwissend, widerspenstig, unkultiviert und ständig in mörderische Stammeskriege verwickelt war, brachte er unter cm Banner, ein Gesetz, eine Religion, Kultur, Zivilisation und Regierungsform.

Dazu meint Sir William Muir, ein überzeugter Gegner und Kritiker des Islams, in seinem Buch ,, Life of Mohammed " (das Leben Mohammeds): ,,Die erste Besonderheit, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die Unterteilung der Araber in zahllose Stämme die völlig unabhängig voneinander sind; die ruhelos und oft in Kriege miteinander verwickelt sind; die, selbst wenn sie durch Blutbande oder gemeinsame Interessen miteinander verbunden sind, jederzeit aufgrund unbedeutender Ereignisse bereit sind, sich voneinander loszusagen und in unerbittliche Feindseligkeiten zu stürzen. Daher zeigt zu Beginn der islamischen Ära der Rückblick auf die arabische Geschichte - wie in einem Kaleidoskop einen ständig wechselnden Zustand von Zusammenschluß und Bündnisbruch, so daß bis dahin jeder Versuch einer generellen Vereinigung fruchtlos bleiben mußte... Das Problem, durch welche Kraft diese Stämme unterworfen oder in einem gemeinsamen Staat zusammengefaßt werden konnten, harrte noch seiner Lösung. Und er warb von Mohammed gelöst."

Er gestaltete ihre Denkweise, ihre festverwurzelten Gewohnheiten und Sitten um. Er verwandelte die Ungehobelten in kultivierte, die Barbaren in zivilisierte Menschen und machte Übeltäter und charakterlose Lumpen zu frommen, gottesfürchtigen und rechtschaffenen Leuten. Die Unbändigsten und Widerspenstigsten wurden zu Musterbeispielen von Gehorsam und Ergebenheit in Gesetz und Ordnung. Ein Volk, das jahrhundertelang nicht einen einzigen namhaften Mann hervorgebracht hatte, wurde unter seinem Einfluß und seiner Führung zum Geburtsland Tausender beispielhafter Männer, die sich in die entferntesten Winkel der Erde aufmachten, um die Grundsätze von Religion, Moral und Zivilisation zu predigen und zu lehren.

Es ist interessant, hier auf eine bedeutende Rede von Ali ibn Abi Tilib Bezug zu nehmen. Als die Unterdrückung der Moslimen in Mekka ihren Höhepunkt erreichte, forderte der Prophet Muhammad einige seiner Anhänger auf in den angrenzenden Staat Abessinien auszuwandern. Eine Gruppe von Moslimen suchte also in diesem Land Zuflucht. Doch die Quraysch in ihrer sinnlosen Verfolgungswut sahen dem nicht untätig zu. Sie verfolgten die Flüchtigen und forderten den Negus von Abessinien auf die Einwanderer unter Gewaltanwendung auszuliefern. Am Hofe des Königs hielt Dscha'far daraufhin eine Rede, mit der er Licht auf die Revolution warf die der Prophet herbeigeführt hatte. Ein Auszug aus dieser Rede ist nachstehend angeführt:

O'König! Wir waren unwissende Leute, dem Götzendienst verfallen. Wir pflegten sogar das Fleisch verendeter Tiere zu essen und alle möglichen anderen abscheulichen Dinge zu tun. Wir sind unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Verwandten nicht nachgekommen und haben unsere Nachbarn schlecht behandelt. Die Starken unter uns ließen es sich auf Kosten der Schwachen wohlsein, bis schließlich Gott einen Propheten zu unserer Besserung gesandt hat. Seine Herkunft, seine Rechtschaffenheit und seine Frömmigkeit ist uns allen wohl bekannt. Er rief uns zum Dienst an Gott auf und ermahnte uns, vom Götzendienst und der Anbetung von Steinen abzulassen. Er befahl uns, die Wahrheit zu sprechen. das in uns gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen, die Verwandtschaftsbande zu respektieren und unseren Nachbarn Gutes zu erweisen. Er lehrte uns, das Üble zu fliehen und alles Blutvergießen zu vermeiden. Er verbot alles Unschickliche: zu lägen, das Eigentum von Waisen zu veruntreuen und gegen die Keuschheit der Frauen falsche Anschuldigungen hervorzubringen. Darum glaubten wir an ihn, folgten ihm und handelten gemäß seinen Lehren

Muhammad (Friede sei mit ihm) vollbrachte so Großartiges nicht durch irgendwelche Zauberkünste, Druckmittel oder gar durch Grausamkeiten. sondern durch seine gewinnenden Manieren, seine liebenswerte, jedoch sittenstrenge Persönlichkeit und seine überzeugenden Lehren. Durch sein vornehmes und freundliches Benehmen machte er sich selbst seine Widersacher zu Freunden. Er eroberte die Herzen der Menschen durch sein grenzenloses Mitgefühl und seine sanfte, menschliche Freundlichkeit.

Er regierte gerecht. Nie wich er von der Wahrheit und Redlichkeit ab. Er unterdrückte nicht einmal seine Todfeinde, die ihm nach dem Leben getrachtet, ihn mit Steinen beworfen, aus seinem Geburtsort vertrieben und ganz Arabien gegen ihn aufgewiegelt hatten, als er schließlich nach ihrer Unterwerfung die Macht dazu in Händen gehabt hätte.

Er vergab ihnen allen, nachdem er den Sieg über sie davongetragen hatte. Nie übte er Vergeltung an irgend jemandem für persönliche Kränkungen oder für Unrecht, das ihm selbst Zugefügt worden war.

Obwohl er der Beherrscher seines Landes wurde, war er so selbstlos und bescheiden, daß er ganz schlicht und anspruchslos an seinen Gewohnheiten festhielt. Er lebte genügsam wie zuvor in seiner ärmlichen, strohgedeckten Lehmhütte. Er schlief auf einer Matratze, trug grobe Kleidung, aß die einfachsten Mahlzeiten der Armen und verzichtete manchmal ganz aufs Essen. Er pflegte ganze Nächte vor seinem Herrn im Gebet stehend zu verbringen. Er kam den Notleidenden und Verarmten zu Hilfe " Der Prophet sagte: .'Jeder, der verschuldet stirbt oder Angehörige hinterläßt, die Gefahr laufen, selbst Not zu leiden - sie alle sollen wissen, daß sie zu mir kommen können, denn ich hin ihr Beschützer.' Sein ganzes Leben legt reiches Zeugnis davon ab ". Auch hielt er es keineswegs für unter seiner Würde, wie ein Arbeiter mit anzufassen. Bis zu seiner letzten Stunde gab es keine Spur von königlichem Pomp und Gepränge oder von der Überheblichkeit der Hochgestellten und Mächtigen an ihm. Wie jeder gewöhnliche Mann saß er mit seinen Leuten zusammen oder wanderte mit ihnen umher und nahm an ihren Freuden und Nöten teil. Er pflegte sich so unter die Menge zu mischen, daß ein Fremder Schwierigkeiten hatte, den Anführer und Regenten des Volkes aus der Schar seiner Anhänger herauszufinden.

Trotz seiner menschlichen Größe benahm er sich selbst den geringsten seiner Leute gegenüber. als seien sie seinesgleichen. In den Kämpfen, die er bestand, und bei den Anstrengungen, die er stets auf sich nahm, suchte er nie irgendwelchen Lohn oder Profit für sich selbst herauszuschlagen. Seinen Erben hinterließ er keinerlei Vermögen. Er verschrieb sich mit Leib und Seele dem Wohl seiner Anhängerschaft und bat nie darum, daß irgend etwas für ihn oder seine Nachkommen Zurückbehalten werde. Ja, er ging dabei so weit, daß er seinen Familienangehörigen verbot, Sakat (oder Armensteuer) anzunehmen, weil er fürchtete, daß seine Anhänger später einmal aus Liebe zu ihm den ganzen Anteil am Sakat seinen Erben austeilen könnten.

i) Sein Beitrag zum menschlichen Gedankengut

Die Aufzählung der Leistungen dieses hervorragenden Mannes ist damit jedoch keineswegs zu Ende. Um seine tatsächlichen Verdienste anerkennen zu können, muß man den Hintergrund der Weltgeschichte als ganzes betrachten. Dabei zeigt sich, daß dieser ungebildete Sohn der arabischen Wüste - geboren im finstersten Mittelalter vor etwa 1400 Jahren - der tatsächliche Wegbereiter der Neuzeit und der echte Leitstern der Menschheit war . Denn er ist nicht nur der Anführer jener, die seine Leitung anerkennen, sondern auch jener, die ihm nicht freudig Beifall zollen - ja sogar derer, die ihn ablehnen! Der einzige Unterschied ist, daß letztere sich der Tatsache nicht bewußt sind, daß seine Lehren auch heute noch unmerklich ihr Denken und Handeln beeinflussen, die Leitgedanken ihres Lebens darstellen und die treibende geistige Kraft der modernen Zeit sind.

Dazu nachfolgend einige Zitate abendländischer Autoren, die diese Tatsache eindeutig untermauern. So sagt beispielsweise

Arthur Leonard : "Der Islam hat in der Tat eine bedeutende Leistung vollbracht. Er hat seine Spuren auf den Blättern der Menschheitsgeschichte hinterlassen, die so unauslöschlich sind, daß sie niemals verwischt werden können... (und) die erst volle Anerkennung finden werden, wenn die Welt (geistig) weiter gewachsen ist."

John Devenport , ein führender Wissenschaftler, meint: ,,Es muß zugegeben erden, daß alles Wissen, sei es über Physik, Astronomie. Philosophie oder Mathematik, das seit dem 10. Jahrhundert in Europa aufblühte, ursprünglich von den arabischen Schulen ausging und daß die spanischen Sarazenen als die Vater der europäischen Philosophie betrachtet werden können."

(Zitiert von A. Karim in "Islam's Contribution to Science and Civilisation" 'Der Beitrag des Islams zu Wissenschaft und Zivilisation').

Bertrand Russell , der weltbekannte englische Philosoph. schreibt: ,,Die Überlegenheit des Ostens bestand nicht nur auf militärischem Gebiet. Wissenschaft, Philosophie, Poesie und die Künste blühten ... in der mohammedanischen Welt zu einer zeit, als Europa noch in Barbarei versunken war. Die Europäer nennen diese Zeit in unverzeihlicher Egozentrik ,Schwarzes Mittelalter'; doch sie war lediglich in Europa ,schwarz' - oder tatsächlich nur im christlichen Europa, denn Spanien, das mohammedanisch war, besaß eine hochentwickelte Kultur."

(Pakistan Quarterly, Vol.IV. Nr.3)

Robert Briffault , der bekannte Historiker, erkennt in seinem Buch ,"The Making ofHumanity" (Die Entstehung der Menschheit) an: ,,Es ist äußerst wahrscheinlich, daß ohne die Hilfe der Araber die moderne europäische Zivilisation niemals die Stellung erlangt hätte, die sie dazu befähigte, alle vorausgegangenen Entwicklungsphasen zu übertreffen. Denn obwohl es keinen Aspekt in der menschlichen Entwicklung gibt, in dem der entscheidende Einfluß der islamischen Kultur nicht zurückverfolgt werden kann, tritt er doch nirgends so klar und deutlich zutage wie in der Genesis jener Macht, die die ausschlaggebende und kennzeichnende Triebkraft der modernen Welt und den letztlichen Ursprung ihres Sieges darstellt . .. Naturwissenschaften und wissenschaftlicher Geist . .. Was wir Wissenschaft nennen, taucht in Europa auf als Ergebnis eines neu entstandenen Forschungsgeistes, neuer Untersuchungs- und Versuchsmethoden den, neuer Beobachtungsweise und Maßstäbe und der Entwicklung der Mathematik in einer den Griechen unbekannten Form. Dieser Geist und diese Methoden wurden in der europäischen Welt durch die Araber eingeführt."

Stanwood Cobb , der Begründer der ,,Progressive Education Association" (Fortschrittliche Erziehungs- Gesellschaft), sagt:

,,Der Islam. .. war der eigentliche Schöpfer der Renaissance in Europa." (Zitiert von Robert L. Gullick jr. In "Muhammad the Educator" (Muhammad der Erzieher) Muhammad war es auch, der das menschliche Denken von abergläubischen Vorstellungen, vom Hang zum Übernatürlichen und Unerklärlichen und zum Mönchtum auf die Bahn der verstandesmäßigen Betrachtungsweise, der Liebe zur Wirklichkeit und zu einem frommen, ausgeglichenen Leben auf Erden hinlenkte. Er war es, der in einer Welt, in der nur übernatürliche Vorkommnisse als Wunder angesehen und als Beweis für die Wahrhaftigkeit einer religiösen Botschaft verlangt wurden, den Drang zu ihrer vernunftmäßigen Bestätigung und zum Glauben an sie als Merkmal der Wahrhaftigkeit wachrief .

Er war es, der denjenigen die Augen Öffnete, die bis dahin in den Naturerscheinungen nach Gottes Zeichen zu suchen pflegten. Er war es, der die Menschen dazu anregte, anstelle von vagen Vermutungen den Weg vernunftmäßigen Begreifen und logischer Schlußfolgerungen, basierend auf Beobachtungen, Versuchen und Forschung, einzuschlagen. Er war es, der die Funktionen und Grenzen der Sinneswahrnehmung, des Verstandes und der Intuition ganz klar definierte. Er war es, der eine Wiederannäherung zwischen den geistigen und materiellen Werten herbeiführte. Er war es, der Glauben mit Wissen und Handeln in Einklang brachte. Und er war es schließlich, der den wissenschaftlichen Geist aus der Kraft der Religion erweckte und echte Religiosität auf der Grundlage des wissenschaftlichen Geistes hervorrief.

Er wir es, der Götzendienst, Heldenverehrung und Vielgötterei in all ihren Erscheinungsformen so gründlich ausrottete und einen so festen Glauben in die Einheit Gottes schuf, daß sogar die Religionen, die ganz auf Aberglauben und Abgötterei begründet waren, dazu gezwungen wurden, sich zur monotheistischen Form der Gottesanbetung zu bekennen. Er war es, der die Grundzüge der Ethik und des geistigen Lebens umwandelte. Denen, die glaubten, daß Askese und Selbstverleugnung allein den Maßstab moralischer und geistiger Reinheit darstellten - daß Reinheit nicht erlangt werden könne, wenn man sich nicht vom weltlichen Leben abkehre, die fleischlichen Triebe unterdrücke und den Körper allen möglichen Foltern unterziehe -, zeigte er den Weg zur geistigen Weiterentwicklung, zur sittlichen Emanzipation und zur Errettung der Seele durch tätige Anteilnahme an den praktischen Angelegenheiten dieser Welt.

Er war es. der dem Menschen seinen wahren Wert und seine tatsächliche Stellung vor Augen führte; jenen, die nur einen ,,fleischgewordenen" Gott oder einen ,,Sohn Gottes" als ihren sittlichen Lehrer oder geistigen Führer anerkennen wollten, wurde gesagt. daß auch ein ganz normaler Mensch wie sie selbst, der keinerlei Anspruch auf Göttlichkeit erhebt, der Stellvertreter Gottes auf Erden werden könne; jenen, die mächtige Persönlichkeiten zu ihren Göttern machten und anbeteten, wurde zu Verstehen gegeben, daß ihre Beherrscher lediglich ganz gewöhnliche Menschen seien und nichts weiter. Er war es. der immer wieder die Tatsache unterstrich, daß ein Mensch Heiligkeit, Autorität und Herrscherwürde als Geburtsrecht beanspruchen könne und daß niemand mit dem Stigma der Unantastbarkeit, der Leibeigenschaft oder der Unfreiheit geboren wird. Er war es, der mit seinen Lehren den Gedanken der Einheit des gesamten Menschengeschlechts, der Gleichheit aller Menschen, der echten Demokratie und der wirklichen Freiheit in der Welt erweckte.

Wenn wir diesen Gedankengang einmal beiseite lassen und ein wenig weiter schauen, so werden wir ungezählte praktische Auswirkungen der Führerschaft dieses ,,ungebildeten" Mannes finden, die sich fest den Gesetzen und überhaupt dem Lauf der Welt eingeprägt haben. So viele Grundsätze über gutes Benehmen, Kultur, Zivilisation, Reinheit des Denkens und Handelns, die in der Welt von heute allgemein verbreitet sind, verdanken ihren Ursprung ihm. Die sozialen Gesetze, die er gab, sind tief in die Struktur des menschlichen Gesellschaftslebens eingedrungen, und dieser Prozeß setzt sich bis zum heutigen Tage noch fort. Die Grundprinzipien des Wirtschaftslebens, die er lehrte, haben eine ganze Reihe von Bewegungen in der Weltgeschichte in Gang gesetzt, und sie versprechen dasselbe für die Zukunft. Die von ihm formulierten Gesetze für die Staatsführung haben eine Anzahl von Umwälzungen in den politischen Vorstellungen und Theorien der Welt hervorgerufen und fahren auch heute noch fort, ihren Einfluß auszuüben. Die wichtigsten Grundbegriffe über Recht und Gerechtigkeit, denen der Stempel seines Genies aufgeprägt ist, haben in bemerkenswertem Umfang die Handhabung des Rechts an den Gerichtshöfen der Völker beeinflußt und bilden bis in unsere Tage eine unaufhörliche, nie versiegende Quelle der Belehrung und Orientierung für alle gegenwärtigen und zukünftigen Juristen. Dieser des Schreibens unkundige Araber war der erste Mann, der praktisch einen festen Rahmen zur Regelung der internationalen Beziehungen erstellte, der genaue Gesetze niederlegte über Krieg und Frieden. Denn niemand vor ihm war auf den Gedanken gekommen, daß auch ein ethischer Kodex für die Kriegführung existieren könnte und daß die Beziehungen zwischen den verschiedenen Völkern davon ausgehend geregelt werden könnten, daß die Menschheit eine Einheit darstelle. Siehe dazu auch Abu-El-A 'Ia Maudoodi's ..AI-Dschihad fi-El-Islam" (Der Heilige Krieg im Islam) und Dr. Hamidullah's ,,The Muslim Conduct of State" (Die IsIamische Staatsführung).